Fassade also. Am Nachbarhaus wird gerade die Fassade neu gestrichen. Ein leuchtendes Orange erstrahlt nun neben unserem blassen Gelb. Doch interessiert mich vor allem die Metapher. Ich denke an Formulierungen wie "Fassade aufrecht erhalten" oder "Fassade bewahren", mehr Schein als Sein.
Oder dieses Gedicht aus Schulzeiten über die anonyme Großstadt. Ich habe es noch vage in Erinnerung: "zwei Fassaden Mensch", die sich in der U-Bahn gegenüber sitzen. Der Check via Google ergibt: Das Gedicht heißt "Städter", stammt von Alfred Wolfenstein und wurde 1914 veröffentlicht. Nur heißt es dort "zwei Fassaden Leute" und sie sind in der Tram unterwegs: "Ihre nahen Blicke baden ineinander, ohne Scheu befragt." Gesellschaftskritisch, düster, deprimierend. Und ich habe es damals "geglaubt". Ich lebte auf dem Land und die Großstadt war mir fremd.
Heute lebe ich in der Stadt, fahre gerne Straßenbahn und empfinde die Mitfahrenden nicht als Fassaden. Auch dann nicht, wenn sie nur Augen – und Ohren – für ihre Smartphones zu haben scheinen.
Wo es menschelt, ist weniger Fassade. Wo es vor allem ums Image geht, ist mehr Lametta.
Was mich zu Webseiten bringt. Denn im Internet tummeln sich unzählige Potemkinsche Fassaden, deren einziger Zweck darin besteht, die Nutzer zu Klicks zu verführen bzw. hinters Licht. Es braucht geübte Fassadenkletterer.
Aber manch einer will es gar nicht. Hinter die Fassade blicken. Kann ja auch bequemer sein. Und Orange ist eine schöne Farbe.
Soweit meine Fassadenhüpfer. Pardon, Gedankensprünge.
"Fassade" ist das siebte Wort im Projekt *.txt, das mir dieses Jahr schon diverse Schreibimpulse lieferte. Mehr zum Projekt *.txt und die bisherigen Beiträge auf der Webseite neon wilderness.
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Dein Leben
ist dein Leben
weil es dir gehört
mit allen Konsequenzen
du hast es in der Hand
du bist verantwortlich
du lebst es
oder nicht?
Mein Leben
ist meins
es gehört zu mir
mit allem, was dazu gehört
ich nehme es in die Hand
übernehme die Verantwortung
ich lebe mein Leben
wer sonst?
Unser Leben
sind wir
wir leben zusammen
und auch wieder allein
wir nehmen uns an die Hand
und lassen wieder los
wir teilen die Verantwortung
und bleiben frei
im Leben
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Dies ist ein weiterer Beitrag zum Projekt *txt von Dominik Leitner, das mich dieses Jahr begleitet bzw. an dem ich schreibenderweise teilnehme. Das entsprechende sechste Wort lautete Dein.
Übersicht aller Worte und Beiträge zum Projekt bei Dominik auf Neon Wilderness.
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Zu gefühlten 90 Prozent schreibe ich alle meine Texte mit der Computertastatur. Zehnfingersystem statt Schreiben mit der rechten Hand. Es geht so schnell, wie ich denken kann - sozusagen Direktverbindung vom Kopf zu den Fingern. Ich schreibe kaum noch von Hand, und meine Handschrift ist für viele Leute kaum lesbar.
Nun stieß ich auf einen Artikel der New York Times, der das Schreiben von Hand aus Sicht von Psychologen und Neurowissenschaftlern beleuchtet (Konnikova: What’s Lost as Handwriting Fades). Demnach unterstütze das Schreiben von Hand in besonderem Maße die Lernfähigkeiten von Kindern, unter anderem deshalb, weil von Hand geschriebene Buchstaben immer wieder anders aussehen. Es zeuge von einer Lernleistung, auch in abweichenden Formen den gleichen Buchstaben zu erkennen. Der Artikel erwähnt auch eine Studie, derzufolge Kinder, die Texte von Hand schrieben, nicht nur schneller mehr Wörter produzierten, sondern auch mehr Ideen einbauten. Es wirke sich auch auf die Leistungen von Studenten aus, ob sie in Vorlesungen von Hand mitschreiben oder mit der Computertastatur.
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