Meine eigene Stimme entdeckte ich im Studium. Ich dachte, ich hätte längst den Dreh heraus, wie man Seminararbeiten schreibt. Dabei rekapitulierte ich nur, was die Sekundärliteratur hergab; frei nach Karl Valentin: Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von mir.
Mit einer Hausarbeit in Anglistik verabschiedete ich mich von diesem Geschwafel. Ich setzte das kleine Wörtchen „ich“ ein, um meine persönliche Meinung zu äußern, und verbannte das unpersönliche „man“ und ähnlich wirkende Passivkonstruktionen. Mein Mut wurde belohnt.
Lieber authentisch
Die Hausarbeit wurde damals sehr gut bewertet. Den Ausschlag für die gute Note lieferten zwei Dinge: erstens die Tatsache, dass ich meinen eigenen Standpunkt entwickelt hatte, und zweitens, dass meine Stimme auch in meinem Schreibstil deutlich wurde – „unprätentiös“. Für mich ist „unprätentiös“ gleichbedeutend mit „authentisch, echt“, d.h. ich schreibe so, wie ich auch sprechen würde.
Ich weiß noch, wie ich damals die Sekundärliteratur durchging und mir dachte, da bläst ja jeder Autor ins gleiche Horn. Normalerweise hätte ich das so hingenommen wie immer. Aber diesmal stachelte es mich an. Was, wenn alles ganz anders wäre? Ich musste mir die Argumentationen und Belege genau anschauen und überlegen, wie „ich“ bestimmte Stellen aus dem entsprechenden Roman selbst interpretieren könnte.
Eine Detektivarbeit
Ich fand es mutig, mich gegen die üblichen Aussagen zu stellen. Aber auf einmal war auch mein Interesse am Thema viel stärker als zuvor. Ja, es wurde spannend. Ich hatte Herzklopfen und wollte meinen Ideen, die nun munter sprießen durften, auf den Grund gehen. Eine gewisse Egal-Haltung bezüglich der Konsequenzen kam dazu. Motto: „Egal, wie es bewertet wird, ich möchte das jetzt so schreiben.“ Ich entwickelte meine eigene These und überprüfte diese an verschiedenen Romanstellen. Es war Detektivarbeit. Am Ende musste ich eine stichhaltige Argumentation liefern, die mein Professor nachvollziehen konnte.
Nun, wie erwähnt, die Arbeit wurde sehr gut bewertet. Das war sozusagen die verdiente Belohnung für meine Leistung. Zusätzlich hatte sich mein Prof für mich "bewährt", denn er hatte nicht die Meinung an sich, sondern die Argumentation beurteilt. Ich schrieb bei ihm natürlich meine Magisterarbeit. Und ich war wirklich stolz auf mich.
Mein Fazit fürs Schreiben:
- Wo mein Name draufsteht, muss auch etwas von meinem „ich“ drin sein.
- Sich mit der eigenen Meinung abseits vom Mainstream zu bewegen, ist spannend.
- Es macht mehr Spaß, eigene Thesen zu entwickeln, als die von anderen nachzubeten.
- Es macht auch mehr Spaß, einen Text von einem authentischen Autor zu lesen.
- Am Ende bin ich stolz und zufrieden, wenn ich Herzblut in meine Arbeit stecke.
Hilfreiche Anleitungen zum Schreiben einer Hausarbeit oder Seminararbeit finden Sie übrigens auf vielen Universitätswebseiten, in Schreib-Blogs oder auch auf privaten Webseiten wie z. B. unter www.arbeitschreiben.de.
Als Schreibcoach unterstütze ich Sie gerne darin, Ihre Argumentation schlüssig zu entwickeln und dabei Ihren Stil im Auge zu behalten.
© Livia Grupp, Text & Schreiben - Textbüro und Schreibberatung, Mannheim
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Bild: Elena Andreeva - Fotolia.com
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